NEWS 08/2016
Gerichtlicher Tiefschlag für Begünstigtenrechtsschutz bei liechtensteinischen discretionary trusts
Einem Beschluss des Fürstlichen Obergerichts vom 12.03.2015 zufolge soll nur „anspruchsberechtigten Begünstigten“ einer liechtensteinischen Treuhänderschaft das Recht zukommen, im Außerstreitverfahren gerichtliche Maßnahmen zu beantragen, wenn sie sich durch eine Verfügung oder Verwaltungshandlung des Treuhänders in ihren Rechten oder Interessen beeinträchtigt erachten. Ermessensbegünstigte gehören – so das Fürstliche Obergericht - jedenfalls nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Begünstigten und verfügen demnach über keine Antragslegitimation.
Im der Entscheidung zugrunde liegenden Antrag hatten Ermessensbegünstigte einer liechtensteinischen Treuhänderschaft die gerichtliche Rückgängigmachung der von den Treuhändern zwischen zwei subtrusts des P-trust vorgenommenen Aufteilung von Prozesskosten begehrt. Der Antrag wurde von der ersten Instanz ohne nähere inhaltliche Befassung mit der Begründung abgewiesen, Ermessensbegünstigten eines liechtensteinischen discretionary trusts stünde keine Antragslegitimation nach Art. 927 Abs 2 des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) zu. Das Fürstliche Obergericht bestätigte diese Entscheidung (publiziert in LES 2016, 73 f).
Der Wortlaut des Art. 927 Abs 2 PGR schränkt die Legitimation zur Anrufung des Gerichts in der Tat auf „anspruchsberechtigte Begünstigte“ ein. Demgegenüber ist jedoch gem. Art. 927 Abs 1 PGR jeder Begünstigte – somit auch ein Ermessensbegünstigter – berechtigt, die Ausführung der Treuhandbestimmungen zu verlangen, soweit durch die Treuhandurkunde nichts anderes bestimmt ist oder dem Treuhänder ein freies Ermessen eingeräumt ist. Diesem Widerspruch haben die liechtensteinischen Gerichte bei ihrer Gesetzesauslegung ebenso wenig Rechnung getragen wie dem Umstand, dass mehrere andere gesetzliche Bestimmungen über die Treuhänderschaft einem Ermessensbegünstigten sehr wohl die Legitimation einräumen, bei pflichtwidrigem Handeln der Treuhänder das Gericht anzurufen.
Auch die von den Antragstellern in weiterer Folge erhobene Verfassungsbeschwerde an den liechtensteinischen Staatsgerichtshof blieb erfolglos. Dieser erachtete die rein auf eine Wortinterpretation des Art. 927 Abs 2 PGR beschränkte Auslegung der beiden liechtensteinischen Außerstreitinstanzen als verfassungskonform (StGH 2015/47). Dabei berief er sich vor allem auf eine eigene Vorentscheidung, die freilich ebenfalls nicht über eine reine Wortinterpretation hinausgekommen war.
Wie von Rechtsanwalt Dr. Harald Bösch in PSR 2016/44 aufgezeigt worden ist, weisen die beiden Beschlüsse der Außerstreitgerichte gravierende Interpretationsmängel auf. Der Staatsgerichtshof hätte die Entscheidungen daher entweder wegen willkürlicher Gesetzesanwendung kassieren oder aber Art. 927 Abs 2 PGR wegen Gleichheitswidrigkeit aufheben sollen.
Diese Rechtsprechung, die auch in der einschlägigen Literatur keinerlei Stütze findet, versetzt dem Begünstigtenrechtsschutz bei liechtensteinischen discretionary trusts in einem zentralen Punkt ohne methodisch tragfähige Grundlage einen Tiefschlag. Sollte es dabei bleiben, muss die Eignung Liechtensteins als anerkennenswerter Truststandort leider in hohem Maße angezweifelt werden.