NEWS 04/2015
Neues zum Sterben und Erben in Europa - Die EU Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO)
Den Ruhestand zum überwiegenden Teil des Jahres im sonnigen Süden verbringen, einen neuen Job in der Großstadt annehmen oder ein simpler „Tapetenwechsel“ ins Ausland – Mobilität und Flexibilität der Österreicher und generell der Europäer steigen zunehmend.
Dass ein solcher Umzug auch bedeutende erbrechtliche Konsequenzen mit sich bringen kann, ist eine Folge der am 27.07.2012 in Kraft getretenen EU-Erbrechtsverordnung. Die wichtigsten Veränderungen, die diese Verordnung bewirkt hat, sollen hier kurz auf den Punkt gebracht werden.
a) Harmonisierung durch EU-Erbrechtsverordnung für Todesfälle seit dem 17.08.2015
Für Todesfälle seit dem 17.8.2015 kommt die europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nummer 650/2012, EU-ErbVO) in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark) zur Anwendung.
Mit der EU-ErbVO werden drei Ziele bei Erbfällen mit Auslandsbezug verfolgt: Die Gewähr für berechenbare und kohärente Vorschriften und damit Rechtssicherheit, mehr Spielraum für die Betroffenen bei der Wahl des auf ihren Nachlass anzuwendenden Rechts sowie die Wahrung der Rechte von Erben und/oder Vermächtnisnehmern und sonstigen Beteiligten.
Die durch die EuErbVO angestrebte Harmonisierung erstreckt sich aber noch weiter: Erbrechtliche Entscheidungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten werden in den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt und vollstreckt.
b) Universelle Anwendung auch bei Nicht-EU-Ausländern
Die EuErbVO ist auch auf Nicht-EU-Ausländer anwendbar, die in einem EU-Mitgliedsstaat (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark) ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Umgekehrt ist ausländisches Erbrecht für einen EU-Staatsbürger auch dann anwendbar, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaates ist.
c) Gewöhnlicher Aufenthalt entscheidet über anwendbares Recht und zuständiges Verlassenschaftsgericht
Bei Todesfällen, die vor dem 17.08.2015 eintraten, mussten die österreichischen Gerichte das Erb- und demzufolge auch das Pflichtteilsrecht des Staates anwenden, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes innehatte.
Für Todesfälle nach dem 17.08.2015 entscheidet nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers über das anwendbare Recht im Falle seines Ablebens, sondern der gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen zum Zeitpunkt seines Todes. Allerdings ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in der EU-ErbVO nicht näher definiert, was in Zweifelsfällen zu gewissen Anknüpfungsschwierigkeiten führen kann. Am ehesten dürfte darunter jedoch der Ort des zentralen Lebensinteresses des Erblassers zu verstehen sein. Der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers dürfte sich somit dort befinden, wo dieser den Schwerpunkt seiner familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen hatte. Nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers bestimmt sich auch die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts.
d) Gewöhnlicher Aufenthalt entscheidet auch bei Immobilien als Verlassenschaftsvermögen
Bis zum 17.08.2015 waren österreichische Gerichte für in Österreich gelegene Immobilien - unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Erblassers – zuständig. Dem Gedanken der Vereinfachung des Verlassenschaftsverfahrens Rechnung tragend bestimmt sich seit 17.08.2015 jedoch auch bei der Vererbung von Immobilien vorbehaltlich einer wirksamen Rechtswahl (dazu sogleich) das anzuwendende Recht und das zuständige Gericht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers.
e) Der Erblasser hat die Wahl
Die EuErb-VO räumt dem Erblasser eine eingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit ein. Wenn der „gewöhnliche Aufenthaltsort“ von der Staatsangehörigkeit einer Person abweicht, besteht die Möglichkeit eine Rechtswahl zugunsten des Rechts jenes Landes zu treffen, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser innehat. Der Erblasser kann jedoch nur einheitlich das anwendbare Recht auf seinen gesamten Nachlass wählen. Eine Teilrechtswahl ist nicht möglich.
Ist das gewählte Recht dasjenige eines EU-Mitgliedstaates, können die Erben zudem eine schriftliche Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts dieses Staates treffen (Art. 5 EU-ErbVO). Auf diese Weise kann sich der Erblasser sicher sein, dass seine Rechtsnachfolge von Todes wegen seinem Heimatrecht unterliegt, und ein österreichisches Gericht die Verlassenschaftsabhandlung führt.
f) Fazit
Sofern Sie als Österreicher im Ausland ihren Lebensmittelpunkt haben oder als Ausländer Ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Österreich verlegen, so unterliegt Ihre Nachlassregelung mangels testamentarischer Rechtswahl seit August 2015 dem Recht des Staates, in dem Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen bzw. begründet haben. Da die jeweilige Gesetzeslage in erbrechtlicher Hinsicht in den diversen Staaten teilweise stark differiert, kann dies vor allem hinsichtlich des Pflichtteilsrechts oder des Erbrechts des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners bedeutende Auswirkungen haben.
g) Empfehlung
Mobile Europäer tun deshalb gut daran, ihre Erbfolge im Lichte der EU-ErbVO neu zu überdenken. Wer von Österreich seinen Lebensmittelpunkt in andere EU-Staaten oder als Ausländer diesen nach Österreich verlegen möchte und wem zugleich die Erbfolge nach ihm nicht ganz gleichgültig ist, sollte hinkünftig zwei Aspekte nicht ungeprüft lassen:
- das Erbrecht der Rechtsordnung seines gewöhnlichen Aufenthalts und
- allfällige Vorteile einer testamentarischen Rechtswahl.
Um den Wünschen des Erblassers gerecht zu werden, besteht dabei die Möglichkeit, die beiden in Frage kommenden Rechtsordnungen auf das „günstigste“ Erbrecht hin zu prüfen.
Unsere Kanzlei verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der internationalen Nachlassplanung und steht Ihnen im Bedarfsfall gern für ein persönliches Beratungsgespräch zur Verfügung.